Berichte vom LKÖ-Symposion 2025
KATHPRESS berichtete von der Tagung:
Am 29. September 2025:
Mit einem Plädoyer, in christlichen Gottesdiensten stärker auf das Judentum als Teil der göttlichen Offenbarungsgeschichte Bezug zu nehmen und so zugleich Momente des Antijudaismus im Christentum zu bekämpfen, wurde am Montagvormittag ein Liturgie-Symposion in Salzburg eröffnet. Die Tagung "'Gepriesen sei der G'tt Israels'. Liturgie, Verkündigung und Glaubensvermittlung im Angesicht des Judentums" wird von der Liturgischen Kommission Österreichs in Kooperation mit dem Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit veranstaltet und dauert bis 30. September. Eröffnet wurde sie am Montag vom zuständigen Liturgie-Bischof Anton Leichtfried (St. Pölten) gemeinsam mit Bischof Manfred Scheuer. Den Eröffnungsvortrag hielt der Schweizer Jesuit und Judaist Christian Rutishauser.
In seiner thematischen Hinführung betonte Bischof Scheuer, dass es aus christlicher Sicht angesichts von Antijudaismus und Antisemitismus zu "rekonstruieren und destruieren" gelte, "was christliche Liturgieverkündigung angerichtet hat". Schließlich gebe es neutestamentliche Texte u.a. im Matthäus- und Johannes-Evangelium mit "stark judenfeindlichen Tönen", die - auch durch ihre Rezitation in christlichen Gottesdiensten - eine "verheerende Wirkungsgeschichte" entfaltet hätten. Diese Kontexte und die Wirkungsgeschichte "dürfen wir nicht ausblenden, nicht vergessen, nicht kleinreden und schon gar nicht rechtfertigen", so Bischof Scheuer. Gewiss gebe es an entscheidenden Stellen etwa in den Gottesdiensten der Karwoche Rekurse auf jüdische Motive und eine damit verbundene "Rückkehr zu den gemeinsamen Wurzeln"; diese Motive sowie Besinnung auf die "anamnetische Kultur" des Judentums und sein Eingedenken des Leidens und der Opfer könnte jedoch noch präsenter sein.
Aufgegriffen wurde dieser Faden vom Schweizer Jesuiten und Judaisten Rutishauser, der anhand zahlreicher Beispiele verdeutlichte, wie sehr das christliche Selbstverständnis bis hinein in die Feier der Gottesdienste von Bezügen zum Judentum zehre: "Nicht nur Jesus war Jude,die Evangelien sind jüdisch-messianische Schriften", so Rutishausers prägnanter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des als Altes Testament bekannten Schriftkanons. Oftmals fehle in christlichen Liturgien dieses Bewusstsein und "der Mut, Gott als Gott Israels anzusprechen". Es gebe eine "Parallelität" zwischen Judentum und Christentum und einen "gemeinsamen Auftrag", der viel zu selten deutlich werde, nämlich die Kunde vom verheißenen Land zu verbreiten. "Das Judentum ist Teil der Offenbarungsgeschichte" - und Antijudaismus aus dieser Perspektive "eine Verdrängung, dass wir selbst auf das Judentum verwiesen sind", so Rutishauser. "Offenbarung ist eben nicht nur im Christentum – und vor allem kommt sie nicht erst mit der Inkarnation." Daher bestehe auch eine "reiche Komplementarität", die es erlauben würde, Texte der hebräischen Bibel stärker im christlichen Gottesdienst zu rezipieren. Einen entsprechenden konkreten Vorschlag, dem Rutishauser viel abgewinnen kann, hatte der emeritierte Wiener katholische Theologe und Alttestamentler Georg Braulik bereits in den 1990er Jahren gemacht, indem er für die Sonntage drei Lesungen vorschlug: Eine Bahnlesung aus der Thora, eine Bahnlesung aus dem Neuen Testament und eine Lesung aus dem Alten oder Neuen Testament. So würde die "gegenseitige Verwiesenheit" stärker zum Ausdruck kommen, so Rutishauser. "Ich finde, das ist bis jetzt der beste Vorschlag zu einer Reform."
Am 30. September 2025:
Eine zeitgemäße christliche Gottesdienst-Feierkultur sollte sich nicht darin erschöpfen, einzelne alttestamentliche Elemente verstärkt zu rezipieren, sondern sich insgesamt "in Israels Gegenwart verstehen und feiern": Das hat der evangelische Leipziger Theologe Prof. Alexander Deeg bei einem Vortrag in Salzburg betont. Christen sollten sich in ihren Gottesdiensten "immer wieder neu hinein in die Geschichte Israels hineinfeiern". Schließlich sei das Christentum bleibend auf das Judentum verwiesen und aufgefordert, "sich hineinzufinden in eine Geschichte, die größer und weiter reicht als unsere christliche Geschichte". Anders gesagt: Christlicher Glaube und auch Gottesdienst wird "hohl, wenn man ihm das Jüdische nimmt", so Deeg.
Dass dieses bewusste "Hineinfeiern" keineswegs selbstverständlich ist, zeigte Deeg mit einem Verweis auf ein dunkles Kapitel der Kirche während des Nationalsozialismus auf: Von 1939 bis 1945 verfolgte das vom Neutestamentler Walter Grundmann geleitete "Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben" das Ziel, alles Jüdische aus christlichen Gottesdiensten zu eliminieren und entsprechend überarbeitete liturgische Bücher, Gesangsbücher und Bibelübersetzungen vorzulegen. Eingedenk dieser Mahnung sowie aktueller antisemitischer und antijudaistischer Tendenzen, die sich auch empirisch unter heutigen Christen nachwiesen ließen, sei es wichtig, dem Antisemitismus auch durch eine entsprechende liturgische Feierkultur entgegenzuwirken, so Deeg. "Wir würden sonst blind werden für diese Welt und für die Hoffnung in ihr."
Eine von Deeg eingemahnte neue Feierkultur dürfte jedoch nicht bestehende Unterschiede wegwischen, mahnte der Theologe. Es dürfe nicht zu einer "Umarmung des Jüdischen" kommen, die so weit gehe, dass "bleibende Eigenständigkeit, auch Fremdheit, Andersheit nicht mehr wahrgenommen wird". Anknüpfungspunkte bestünden etwa in einer ausführlicheren Rezitation der Psalmen im christlichen Gottesdienst, aber auch der Rekurs auf frühere Segensformeln.
Neuer Trend: NT innerhalb des Judentums
Weiter entfaltet wurde das Thema schließlich von einem Impulsvortrag der Linzer Neutestamentlerin Prof. Andrea Taschl-Erber. Die Trennung von Judentum und Christentum ("Parting of the ways") dürfe nicht linear verstanden werden – tatsächliche Grenzziehungen würden erst im historischen Rückblick sichtbar werden; historisch betrachtet sei der Prozess keinesfalls "nur One way" gelaufen - vielmehr hätte es immer wieder jüdisch-christliche Begegnungen und auch Reaktionen auf den jeweils anderen gegeben.
Dem entspreche aktuell auch ein neuer Forschungstrend insbesondere im angelsächsischen Raum, der versucht, das Neue Testament innerhalb des Judentums zu lesen ("Reading the New Testament within Judaism"), also neutestamentliche Texte als jüdische Texte zu lesen, aus denen heraus die messianische Bewegung der Jesus-Anhänger sich erst langsam entwickelte. Die Einheit von Altem und Neuem Testament könne ein solches Wechselspiel gegenseitiger, durchdringender Lektüren deutlich befruchten, so Taschl-Erber - "ohne Nivellierung, mit Respekt und in der Spannung von An-Eignung, die nicht zur Ent-Eignung werden darf".
Weitere Referenten der waren der an der Uni Regensburg lehrende Liturgiewissenschaftler Harald Buchinger ("Ostern zwischen Popule meus und Israelitica Dignitas: Heilsgeschichte feiern im Angesicht Israels") und der Dortmunder Alttestamentler Egbert Ballhorn ("Die Bibel und die Christologie der
Osternacht"), die ausgehend vom Ostertriduum aufzeigten, dass die klassische römische Liturgie gerade nicht vereinnahmend sei: Texte der jüdischen Heiligen Schrift würden in der liturgischen Verwendung zu denen mit klarem christologischen Bekenntnis gestellt– nicht vereinnahmend und vornehm offen in der Deutung.
Workshops vertieften einzelne Aspekte aus den Vorträgen. In einem abschließenden Podiumsgespräch replizierte Willy Weisz, Vizepräsident im Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit, als jüdischer Beobachter auf Erfahrugen der Tagung.

(v.l.: Willy Weisz, Edith Petschnigg, Roland Werneck, Manuel Uder)
Eine Dokumentation der Vorträge erscheint im Frühjahr 2026 in der Zeitschrift "Heiliger Dienst", die vom Österreichischen Liturgischen Institut gemeinsam mit dem Österreichischen Katholischen Bibelwerk und dem Pius Parsch Institut herausgegeben wird.
